Vereinsmeier: Wieso hat der Jugendladen plötzlich doch gewonnen?

Eigentlich müsste die Frage lauten: wieso war das Ergebnis überhaupt knapp?

Ich will von vorne beginnen. Um gewinnen zu können ist eine große Werbeaktion notwendig. Fast alle Vereine schreiben Rundmails und sms. Das haben wir auch getan, aber sie führen kaum zum Erfolg. Wirklich dauerhaft abstimmen scheinen nur die Menschen, die sich in besonderer Weise mit dem Verein verbunden fühlen. Die Aussicht auf Erfolg scheint auch eine große Rolle zu spielen.

Viele Besucher der Strochenhomepage sind mit Begeisterung dabei und daher war die Homepage ein Medium, mit dem wir viele Unterstützer gewinnen konnten. Vermutlich kann kaum ein Verein auf eine Homepage zurückgreifen, die zwischen 1500 und 2000 Besucher am Tag hat. Das war unsere Chance.

Wir haben schon recht früh die abgegebenen Stimmen aufgezeichnet und Diagramme erstellt. Aus deren Kurven konnten wir herauslesen, wann wir von den hinteren Plätzen auf den vordersten wandern würden. Das hat soweit auch alles ganz gut geklappt.

Kurz hatten wir unsere Gewissensfragen: wir haben uns die "Konkurrenz" genau angesehen und es tauchte die Frage auf, ob wir beispielsweise einem Kinderheim den Gewinn wegnehmen wollten. Wir überlegten sogar, ob wir unseren Gewinn am Ende teilen sollten.

Dann kamen die Unregelmäßigkeiten ins Spiel.

Bis Mitte April kämpften noch zwei ganz andere Vereine um den ersten Platz. Am 15. April entstand plötzlich ein Knick im Diagramm. Ein Verein hatte von einem auf den anderen Tag urplötzlich etwa 40 Stimmen täglich mehr, das entsprach einem Sprung auf 150 Prozent. Wo kamen diese Anzahl von Abstimmmern her. Gab es eine außergewöhnliche Werbeaktion?

Wir beobachteten die Daten weiter. Bald war klar, dass die beiden "Kurven" (unsere und die der Konkurrenz) trotz des ungewöhnlichen Stimmenzuwachses der Konkurrenz sich demnächst schneiden, wir damit auf den ersten Platz gelangen und rein rechnerisch dort auch bleiben würden. Doch mit dem Überholen (also als wir den ersten Platz einnahmen) entstand ein zweiter Knick in der Kurve der Konkurrenz. Ab jetzt bekamen wir sie nicht mehr los. Welche Werbemethode könnten die noch besitzen um den 2000 Besuchern der Storchenseite sogar die Stirn bieten zu können?

Wir bekamen immer mehr Unterstützer. Bis Mitte Mai fiel auf, dass es so gelang, täglich bis zur Mittagszeit etwa 150 Stimmen Vorsprung hinzubekommen, der ab 13 Uhr bis zum späten Abend wieder auf Null zurückfiel, zeitweise landeten wir sogar auf dem zweiten Platz. Wie konnte es sein, dass so viele Unterstützer der Konkurrenz nur ab dem Nachmittag abstimmen? Hatten die sich alle abgesprochen oder wie erklärt man so eine Anomalie?

Einer unserer Helfer programmierte daraufhin ein Programm, welches die Stimmen alle 2 Minuten durchgehend aufzeichnete. Wir hatten einen genauen Überblick über das Abstimmverhalten der Menschen. Heraus kam, dass fast ein Drittel aller Nutzer kurz nach dem Aufstehen abstimmten, der Rest gleichmäßig über den Tag verteilt. Ab 22 Uhr brach die Kurve ein und über die Nacht kamen kaum Stimmen herein. Das war bei allen aufgezeichneten Vereinen so.

Dabei kam es zu einigen Anomalien:

1. Nur unsere unmittelbare Konkurrenz bekam vormittags kaum Stimmen, dafür am Nachmittag und am späten Abend sehr viele.

2. Außerdem traten Abstimmspitzen auf: innerhalb sehr kurzer Zeit kamen extrem viele Stimmen zusammen. Beispielsweise kamen an einem Abend zwischen 22:30 Uhr und 23:30 Uhr 40 Stimmen herein, ab 0 Uhr bis 6 Uhr nochmals 30. Soetwas könnte zufällig schon mal passieren (das wäre aber fast wie ein Sechser im Lotto). Es könnte auch sein, dass jemand seine eMails schlagartig bestätigte. Dass es aber täglich auftritt ist seltsam.

3. Es gab Tage, da bekamen Vereine viele Stimmen, und es gab Tage, da kamen weniger rein. Bei uns war das an die Besuche der Storchenhomepage gekoppelt. An dem Tag als die Küken schlüpften nahmen die Besuche schlagartig zu und damit auch die Stimmen beim Vereinsmeier. Seltsamerweise war das auch bei unserer Konkurrenz so. Hatten die auch Störche oder ähnliche Ereignisse? Es spielte keine Rolle, wie viele Stimmen wir erhielten, die Konkurrenz zog immer mit.

Ich will hier keine Behauptung aufstellen, aber sie können sich ihr Urteil selbst bilden. Eine mögliche Erklärung wäre, dass nicht viele Benutzer zufällig das selbe außergewöhnliche Abstimmverhalten zeigen, sondern dass eine Person massiv schummelt (das ist technisch problemlos möglich). Diese schien noch dazu vormittags keine Möglichekeit zum Schummeln zu haben, weil sie vormittags vielleicht berufstätig ist.

Wir versuchten mit dem konkurrierenden Verein Kontakt aufzunehmen und wollten sie mit unserer Auswertung konfrontieren. Wir wollten nämlich eine völlig ehrliche Abstimmung. Gewinnen sollte, wer die meisten Stimmen bekommt, nicht wer am effektivsten Schummeln kann. Auf alle eMails kam keine Antwort. Anrufe wurden nicht angenommen. Anrufbeantworter führten zu keinem Rückruf. Einmal erreichte ich Bekannte der verantwortlichen Person, die vermutlich auch die Info weitergab, aber geändert hat sich fast nichts. Außer, dass die auffälligen Abstimmspitzen kleiner, dafür häufiger wurden.

Es gibt Leute, die darin vermuten würden, dass das Schummeln professioneller wurde.

Wir waren dagegen fast machtlos. Egal wie viel Werbung wir machen würden - zeitweise bekamen wir über 300 Stimmen am Tag - die Konkurrenz schaffte es "irgendwie" einfach mitzuhalten. Wenn wir nun noch eine Gewinnchance haben wollen, dann mussten wir in die Trickkiste greifen. Aber wir wollten unserem Grundsatz, nämlich ehrlich zu gewinnen, treu bleiben.

Wir hatten eine These: egal wie viele Stimmen wir erhalten würden, die Konkurrenz gleicht sie aus. Mehr Werbung hätte also keinen Effekt. Wir entschieden uns für eine paradoxe Intervention und reduzierten unseren Stimmanteil. Der ganze Vorstand des Jugendladen und viele Unterstützer vom Pfarrjugendzeltlager stimmte zwar noch ab, bestätigte aber die eMails nicht mehr. So tauchten wir als Stimmen nicht mehr auf. Die Konkurrenz hatte weniger aufzuholen. Unsere eMails sammelten wir, bis wir am letzten Tag insgesamt fast 400 ehrlich erworbene Stimmen in der Rückhand hatten.

Obwohl wir unsere Stimmen reduzierten überholte die Konkurrenz nicht. Bekamen sie auch weniger Stimmen, wenn wir weniger bekamen?

Am 31.05.12 um 23:50 Uhr saßen dann alle in den Startlöchern. Wir hatten uns mittels Telefon verbunden. Einer saß in Regensburg, einer in München, einer in Bayreuth, zwei in Hammelburg und eine gab die Zwischenergebnisse durch. Innerhalb von 10 Minuten bestätigten wir unsere aufgehobenen fast 400 Stimmen. Natürlich reagierte die Konkurrenz schlagartig und brachte in diesen zehn Minuten ebenfalls über hundert Stimmen ins System. Aber gegen die Flut von fünf Standorten war wenig auszurichten. Trotzdem - und das will ich betonen - haben wir nur mit ehrlich erworbenen Stimmen agiert.

Am Ende ging es uns fast nicht mehr um den Gewinn. Wir wurden von der Enttäuschung, die aus dem Gedanken betrogen zu werden entstand, angetrieben. Wir wollten Ehrlichkeit. Glücklicherweise hat die dann auch gesiegt. Und dazu haben Sie alle kräftig beigetragen. Ich möchte mich daher ganz herzlich auch im Namen aller meiner Mitstreiter bei Ihnen bedanken. Jetzt kommt die Zeit der Störche zurück und der Vereinsmeier verschwindet wieder aus dieser Homepage.